Das Märchen von der Lederhaut

Es war einmal ein kleines Männlein, das ging immer und überall barfuß, im Sommer und im Winter, über Stock und über Stein. Es hüpfte und sang dabei und wurde umso vergnügter, je länger es so lief. Es hatte niemals kalte Füße und auch keinen Schnupfen.

Die Menschen im Ort wunderten sich und staunten und sagten: „da hast du bestimmt eine dicke Hornhaut unter den Füßen, vom vielen Barfußwandern?!“ Das Männlein aber sagte:

„Nein, eine Hornhaut habe ich nicht,
denn das ist tote Haut,
die reibt sich beim Barfußgehen ab.
Stattdessen habe ich eine Lederhaut!“

BarfußmännleinOje… 🙄 So oder ähnlich muss es angefangen haben. Denn seit Jahrzehnten hält sich hartnäckig der „Mythos Lederhaut“ beim Barfußvolk.

In der realen Welt ist das leider völliger Unsinn! Ich weiß nicht, wer diesen Quatsch als erstes verbreitet hat? Aber man hört und liest das immer wieder in Interviews oder (Fach-)Büchern zum Thema Barfußlaufen. Die Aussagen sind meist sehr ähnlich, aber trotzdem nicht richtig! Man kann sich mit solchem Falschwissen ganz schön blamieren. Bitte niemals weitererzählen!

Die Wirklichkeit

Wer es ganz genau wissen möchte, kann eine sehr detaillierte Beschreibung der Haut und ihrer Funktionen im barfussblog.de nachlesen. Ich fasse hier nur die wesentlichen Punkte zusammen und beschreibe dann kurz, warum das oben erwähnte Märchen von der Lederhaut in ALLEN PUNKTEN falsch ist:

Hautaufbau

Die Haut besteht aus drei Schichten. Das ist am ganzen Körper so, ganz egal, ob an der Nasenspitze, am Hintern oder unter den Füßen. Je nach Körperteil sind die Hautschichten aber unterschiedlich ausgeprägt. Hier eine einfache Übersicht der Hauptmerkmale, die uns für die Fußhaut interessieren:

  • Oberhaut (Epidermis)
    • Dicke Fußhautproduziert Hornzellen, die nach außen transportiert und abgenutzt werden (=Hornhaut!)
    • normalerweise nur wenige Zehntel Millimeter dick, kann unter den Füßen bis zu einen halben Zentimeter anwachsen
    • bildet mechnanischen und chemisch/biologischen Schutz (Säuremantel, Abwehrzellen) gegen Eindringlinge (Erreger und Fremdkörper)
    • bietet UV-Schutz durch Bildung von Melanin
    • enthält keine Blutgefäße und Schmerzrezeptoren, d.h. Verletzungen der Oberhaut bluten nicht und tun nicht weh
  • Lederhaut (Dermis)
    • besteht aus stützendem und elastischem Bindegewebe
    • enthält viele Gefäße zur Blutversorgung der Haut
    • enthält Schweißdrüsen und Talgdrüsen zur Kühlung bzw. Befeuchtung der Haut
    • enthält viele Nervenenden und Rezeptoren (Temperatur, Druck, Schmerz)
  • Unterhaut (Subcutis)
    • enthält Bindegewebe mit Fettzellen
    • kann bis zu mehrere Zentimeter dick werden
    • dient unter den Füßen als Polster
    • speichert Energie und isoliert gegen Kälte

In diesem Film wird das sehr kurz und anschaulich erklärt:
(Quelle: www.stiftung-gesundheitswissen.de)


(Videos werden als externe Inhalte ohne Cookies vom YouTube-Server geladen)

Richtigstellung des Märchens

Mit diesem Wissen können wir nun die vier Hauptpunkte der Behauptung aus dem Märchen widerlegen:

„Vom Barfußlaufen bekommt man keine Hornhaut“

→ Doch! Naja, eigentlich hat man sie schon und bekommt sie nicht erst. Aber die sonst dünne Hornzellenschicht wächst bei regelmäßiger Beanspruchung stark an, so dass man auf jeden Fall eine dickere Hornhaut bekommt.
Anders als z.B. bei Reibestellen von Schuhen ist diese Hornhaut aber gleichmäßig über die Fußsohle verteilt und bleibt dabei geschmeidig und flexibel. Sie stört auch nicht, sondern ist nützlich, da sie den Fuß schützt. Ich weiß nicht, warum sich viele Barfüßer so vehement dagegen wehren, eine Hornhaut zu haben?! Ich bin sehr stolz auf meine!
Wer z.B. ein Saiteninstrument spielt, redet auch ganz selbstverständlich von einer Hornhaut an den Fingerkuppen.

„Im Gegenteil, die Hornhaut reibt sich dadurch runter“

→ Das ist auch nicht ganz richtig. Die produzierten Hornzellen werden tatsächlich abgerieben – dazu sind sie da. Aber man läuft sie nie ganz runter. Denn wenn man das tut, wird es sehr schmerzhaft. Deswegen sollte man bei längeren Wanderungen darauf achten, immer nur so viel Haut zu „verbrauchen“, wie über Nacht wieder nachwachsen kann. Sonst tut’s nämlich weh! Oder Schuhe anziehen, wenn es zu viel wird.
An den Rändern der Ferse oder der Zehen können auch bei Barfußläufern dicke Schwielen entstehen, die sich beim Laufen nicht abreiben, weil sie wenig direkten Bodenkontakt haben. Diese kann man ggf. mit einem Bimsstein oder einer Feile nachbearbeiten.

„Hornhaut ist tote Haut“

→ Das stimmt so nicht. Richtig ist zwar, dass die ganz äußere Schicht aus abgestorbenen Hornzellen besteht, die beim Gehen abgerieben werden. Aber darunter werden munter weiter Hautzellen gebildet, die mithilfe von Keratin verhornen, um später auch wieder abgestoßen werden zu können. Das ist also ein ziemlich lebendiger Vorgang insgesamt.
Das ist auch das Tolle daran: im Gegensatz zu einer toten Schuhsohle, die irgendwann durchgelaufen ist, wächst die Fußsohle ständig nach!

„Barfußläufer bekommen stattdessen eine Lederhaut“

→ Das ist völlig falsch, denn genau wie die Hornhaut hat man die Lederhaut bereits von Geburt an und bekommt sie nicht erst. Und schon gar nicht anstelle einer Hornhaut. Außerdem läuft man niemals direkt auf der Lederhaut, denn sie ist die mittlere Schicht der dreiteilig aufgebauten Haut.
Spricht man anschaulich von „Leder“ oder „ledriger Haut“, ist das sicher eine treffende Beschreibung für die robuste Fußhaut – wie könnte ich auch etwas anderes behaupten, als Betreiber der Domain „lederfuesse“? Aber „Lederhaut“ ist als Fachbegriff bereits reserviert und sollte daher nicht im falschen Zusammenhang verwendet werden.

Ledrige Haut

Fazit / Zusammenfassung

Ja, vom Barfußgehen bekommt man eine dicke Hornhaut!

Aber nicht nur, sondern alle Hautschichten verstärken sich und schützen und unterstützen somit den Körper. Dabei ist keine Hautschicht wichtiger als eine andere, sondern alle drei Schichten sind essenziell und verstärken sich jeweils auf ihre Art, wenn sie regelmäßig beansprucht werden:

  • Die Oberhaut mit der Hornhaut wird dicker und bietet einen besseren Schutz vor Eindringlingen.
  • Das Bindegewebe in der Lederhaut verdichtet sich und verstärkt die Fußhaut. Zusätzlich wird hier die Durchblutung angeregt.
  • Das Unterhaut-Fettgewebe wird dicker und bildet sowohl ein Laufpolster als auch bessere Wärmeisolierung der Haut.

Die Haut wird insgesamt stärker und fühlt sich „ledrig“ an.
So kann man es problemlos darstellen.