So! Nach dem niedlichen Nordberliner Zugspitzlauf war ich nun endlich auch mal auf der richtigen Zugspitze. Davon habe ich schon lange geträumt.
Ganz zu Beginn meiner Barfußzeit bin ich im Internet auf Martl Jung gestoßen. Auf seiner damaligen Webseite konnte man Fotos sehen, wie er barfuß auf die Zugspitze geklettert ist. Über Schotter und Geröll, einen Gletscher und über Klettersteige, wo man über Felsen und eingeschlagene Eisenstifte geht. Das hat mich sehr beeindruckt.
Der Plan
Um ihm nachzueifern bin ich gleich in meinem ersten Barfußjahr auf die Ennskraxn gestiegen. Martl hat natürlich noch deutlich größere Barfußtouren unternommen, eine Alpenüberquerung, die Besteigung des Ortlers (3905m) und vieles mehr. Für mich war aber die Zugspitze am interessantesten. Immerhin ein realistisches Ziel und ich war vorher noch nie oben. Ich fand heraus, dass es auch schon andere Leute gemacht haben, allen voran Johann Sanktjohanser, der über 200 Mal barfuß rauf gerannt ist. Dafür kam er ins Guinness Buch der Rekorde. Nach und nach erfuhr ich von mindestens sieben Personen, die barfuß auf der Zugspitze waren, übers Höllental oder andere Routen. Umso mehr wuchs der Wunsch, auch dazu zu gehören.
Bloß wann? Der Umzug von München nach Berlin machte es nicht einfacher, einen Termin zu finden. Und mit wem? Und auf welcher Route?! Durchs Höllental ist wohl der schönste Weg, aber auch der anspruchsvollste. Einen Klettersteig hatte ich noch nie gemacht und ohne erfahrene Begleitung traute ich mir das nicht zu. Andere Wege waren mir zu lang oder zu steinig. Nur der Weg vom Eibsee über die Wiener Neustädter Hütte und den einfacheren Stopselzieher-Klettersteig, der ist relativ kurz und sah machbar aus.
Ich schrieb Martl an, ob er die Stopselzieher-Tour für barfußtauglich hält und er hat mir tatsächlich geantwortet. Nicht nur das, er schlug sogar vor, gemeinsam zu gehen – durchs Höllental. Juhu! Zu schön, um wahr zu sein! Ich wollte eigentlich nur eine Expertenmeinung und fand den besten Begleiter, den ich mir vorstellen kann.
Start – Höllentalklamm
Am 22. Juni 2023 war es soweit. Frühmorgens fuhren Martl und ich nach Garmisch. Gegen 5:20 Uhr ging es am Parkplatz los (etwas später als geplant), da war es schon hell. Über einen leicht geschotterten Anstieg gingen wir hinauf bis zum Eingang der Höllentalklamm.
Höllentalanger
Nach der Klamm geht es ein Stückchen weiter bis zur Höllentalangerhütte. Viele Wanderer übernachten dort und sparen sich so die ersten anderthalb Stunden und 600 Höhenmeter des Gipfelaufstieges.
Nach der Hütte geht es noch eine gute Stunde durch das grüne Höllental bis zum ersten Klettersteig.
Leiter, Brett und Grüner Buckel
An der „Leiter“ steigt man über Eisentritte eine steile Wand hinauf. Nach einem kurzen, schmalen Pfad quert man das „Brett“ auf Eisenstiften, die in den Fels geschlagen sind. Das sieht spektakulär aus, ist aber gar nicht so schlimm.
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Es folgt ein bisschen Kraxelei ohne Drahtseilsicherung, bis man schließlich über den „Grünen Buckel“ kommt, der die Baumgrenze markiert. Alles, was danach kommt, ist karg und nahezu pflanzenlos. An dieser Stelle habe ich nebenbei noch den drittältesten bayerischen Geocache von 2001 gefunden.
Geröllfeld und Gletscher
Nach einem langen Marsch durch die „Geröll-Hölle“ kamen wir am Rand des Höllentalferners an. Er ist inzwischen Deutschlands größter Gletscher, weil er durch die Schattenlage nicht so schnell schrumpft wie die anderen.
Hier zogen wir die einzigen Hilfsmittel unserer Tour an die Füße: Grödel. Die geben vor allem im oberen, steilen Teil des Gletschers den nötigen Halt, um nicht abzurutschen. Der Schnee ist jetzt noch tief und griffig. Später im Jahr sind die Schneeverhältnisse nicht mehr so gut. Auf dem blankem Eis reichen solche Grödel nicht mehr aus und man braucht richtige Steigeisen!
Der Klettersteig
Martls urspünglicher Plan war, bis 12 Uhr auf dem Gipfel zu sein, aber mit mir lahmer Ente war das zu optimistisch – wir haben am Ende drei Stunden länger gebraucht. Kurz vor 12 Uhr stiegen wir erst an der Randkluft in den Klettersteig ein, der die letzten 500 Höhenmeter steil nach oben führt, immerhin fast durchgehend drahtseilversichert. Davor hatte ich am meisten Respekt, weil ich etwas in der Form noch nie gemacht habe und außerdem nicht hunderprozentig höhenfest bin.
Martl ist ohne Sicherung unterwegs gewesen, da wäre ich vermutlich gestorben?! Am Haken war es allerdings kein Problem mit der Höhe. Ich fühlte mich die ganze Zeit sehr wohl.
Von der „Irmerscharte“, ca. 100m unterhalb des Gipfels, hat man einen sensationellen Ausblick über die zurückgelegte Strecke im Höllental und über den türkisblauen Eibsee auf der anderen Seite, die „Bayerische Karibik“. Dort machten wir eine kleine Pause, bei der mein Kreislauf erstmals ins Straucheln geriet. Mit zunehmender Höhe war die Luft immer dünner und die Kletterei immer anstrengender geworden.
Zitterpartie unterm Gipfel
Ich sagte mir, es ist nur noch ein kurzer Weg und versuchte, meine volle Konzentration auf die restliche Strecke zu lenken. Das Gipfelkreuz sah zum Greifen nah aus, dennoch dauerte dieser kurze Weg noch eine ganze Stunde! Es gab nämlich noch eine andere Schwierigkeit zu überwinden:
Im oberen Teil lag noch eine ganze Menge Schnee, so dass das Sicherungsseil für ein kurzes, aber sehr steiles Stück nicht erreichbar war. Das bedeutete, wir mussten die Grödel wieder anlegen und die Stöcke rausholen, um die ungesicherte Strecke zu überbrücken. Zwei Wochen zuvor war vermutlich genau an dieser Stelle ein Mann von einem Schneerutsch ins Tal mitgerissen worden und dabei ums Leben gekommen.😱
Martl versicherte mir zwar, dass der Schnee so pappig ist, dass er nicht abrutschen wird, aber ich fühlte mich dabei gar nicht wohl! Ich dachte mir, lautes Fluchen hilft, um heile da durch zu kommen und so war es auch. In den tiefen Spuren der vorigen Wanderer tastete ich mich langsam aber sicher vor, bis ich wieder das Stahlseil fassen konnte. Das hätte es echt nicht gebraucht! Bis zur Irmerscharte hatte ich mich so gut gefühlt, aber diese letzten Meter raubten mir die letzte Kraft und meine Nerven. Ich war jetzt so unsicher, dass ich mich sogar auf dem einfachen Weg zum Gipfelkreuz mit dem Klettersteigset sicherte, ganz egal wie albern das ist.
Kurzes Gipfelglück
Ich war froh als ich dann auf der Gipfelterrasse endlich wieder „festen Boden“ unter den Füßen hatte. Gute 10 Stunden haben wir insgesamt gebraucht. Wahnsinn! Martl geht das eher in weniger als der Hälfte, Johann Sanktjohanser hat die gleiche Strecke sogar in nur drei Stunden geschafft. Ich habe keine Ahnung, wie das gehen soll?!?
Gollums Rückschlag
Nachdem ich nun gedacht hatte, ich hätte alles überstanden und könnte den Augenblick beim Gipfelbier genießen, gab es leider noch einen weiteren Rückschlag, der mir sogar die ganzen nächsten Tage versaute:
Kurz bevor wir mit der Seilbahn abfahren wollten, bemerkte ich, dass ich meinen Ehering verloren hatte. Nach dem Gletscher hatte ich ihn noch, das sieht man auf den Fotos, danach hatte ich Kletterhandschuhe an. Er muss abgerutscht sein, als ich am Biertisch die Handschuhe ausgezogen hatte. Aber leider war die Suche erfolglos. Der Wirt hat später die Wasserrinne in der Terrasse ausgeleert, aber auch dort konnte kein Ring gefunden werden. Das ist sehr ärgerlich und deswegen kann ich das Erfolgserlebnis leider nicht so genießen, wie es sein sollte! Auch das war „barfuß durch die Hölle“…
Fazit für die Sohlen
Die große Preisfrage am Ende lautet natürlich: „und wie ging es meinen Füßen?“ Das ist sicherlich eine berechtigte Frage, wenn man sich den überaus steinigen Aufstieg so ansieht: erst Steine, dann Schotter, dann Geröll, Eisenstangen, wieder Schotter, wieder Geröll, ein Gletscher, Felsen, Eisentritte und zwischendurch immer wieder spitze Steine und Schnee. Klingt erstmal nicht so verlockend, war aber tatsächlich nicht so schlimm. Meinen Fußsohlen haben es jedenfalls besser weggesteckt als mein Kreislauf. Okay, direkt am nächsten Tag hätte ich so eine Tour nicht nochmal machen wollen, aber das hatte zum größten Teil andere Gründe.
Die Herausforderung lag für mich definitiv darin, eine hochalpine Tour mit sehr ausgesetzten Klettersteigen zu machen, was für mich neu war. Ausdrücklich keine Herausforderung war es, diese Tour barfuß zu machen! Darüber habe ich keinen Augenblick ernsthaft nachgedacht, weil es für mich ganz normal ist (selbstverständlich hatte ich trotzdem Notschuhe im Rucksack!).
Zumindest meinen Füßen ging es nach dieser Tour besser als nach der letzten Ennskraxn Besteigung.
Also eigentlich nichts Besonderes 😂
© 2023 Die Fotos sind teilweise von Martl Jung und teilweise von mir (der jeweilige Name steht im Dateinamen).
Noch mehr Bilder hier
https://barfuss-life.style/t/barfuss-auf-die-zugspitze-eine-hoellentour/817/1
und hier noch die Facebook Story von Martl:
https://www.facebook.com/1588114385/posts/zugspitze-h%C3%B6llental-barfu%C3%9F-22062023-forbi-ein-ambitionierter-barfu%C3%9Fwanderer-woll/10227007801492821/
Mit großem Interesse und Bewunderung habe ich über die Barfusswanderung auf die Zugspitze gelesen. Die Bilder dazu sind beeindruckend schön.!!! Ich freue mich sehr, dass Forbi so eine einmalige Leistung vollbracht hat. Dass nun leider sein Ehering verlorengegangen ist,ist schade,aber kein Beinbruch.
Die schönsten Bilder jetzt auch auf Instagram: https://www.instagram.com/lederfuesse/