Auch wenn ich durch meine überflüssige Statistik gelernt habe, dass ich zu fast 99% barfuß lebe und vermutlich mit meinen wenigen verbleibenden Schuhen bis an mein Lebensende auskommen würde, macht es mir doch immer wieder Spaß, über die perfekten DIY-Notschuhe für alle Lebenslagen nachzudenken. Mit dem folgenden Modell bin ich dem wieder ein ganzes Stück näher gekommen.
Nach dem letzten Paar Esparaches schrieb mich jemand an, der sich auch gerade ein Paar Minimalschuhe selbst machte und deswegen auf meine Seite gestoßen war. Er hatte sich ein Paar Lederschuhe genäht, nach dem Vorbild dieser Schnellanleitung für den „Scandinavian Turnshoe“ des amerikanischen Schuhmachers Jason Hovatter:
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Diese wikingisch anmutenden Wendeschuhe werden auf links genäht und dann umgekrempelt. Mich faszinierte dabei die Erstellung der Schablone mit Klebeband direkt am Fuß. „Das muss ja sitzen wie eine zweite Haut“ dachte ich mir… Spoiler: tut es auch!
Erstmal schneidet man die Sohlenform aus Pappe aus und stellt den Fuß darauf. Mit Klebeband wird dann die Schuhform in mehreren Lagen um den Fuß herum gewickelt. Wichtig, den Fuß vorher in Frischhaltefolie einzupacken, sonst klebt das Zeug direkt am Fuß fest.


Es darf nicht zu eng gewickelt werden, weil der Fuß sonst eingeengt wird. Ich habe die erste Version versaut und bei der zweiten dann vorne kleine Pappstützen vor den Zehen eingesetzt, damit die Zehenbox ausreichend Platz bietet (siehe Bild oben). Wenn alles fertig eingewickelt ist und bequem sitzt, werden vorne und an der Seite die Linien angezeichnet, an denen es aufgeschnitten wird, sonst kriegt man es nicht vom Fuß. Das sieht man hier nicht so gut, aber oben in dem Video wird das sehr schön gezeigt.


Die zwei Teile werden entlang der Sohlenkante und den oben erwähnten Linien ausgeschnitten. Sie lassen sich relativ flach auslegen und dienen nach einem weiteren Übertrag als Schablonen für den Lederzuschnitt. Vor dem Ausschneiden werden in kurzen Abständen Striche über die Schnittlinien gezeichnet (siehe im Video), damit die beiden Teile später wieder genau so zusammengefügt werden können, wie sie vor dem Aufschneiden zusammen saßen. Die vordere Kante des Oberteils wird in kurzen Abstanden eingeschnitten, damit die Rundung der vorderen Kappe später genügend Spiel hat.


Die Tape-Vorlage wird jetzt auf Karton übertragen und die Markierungen nochmal sauber angezeichnet. Anschließend werden diese Schablonen auf das Leder gelegt und mit einem weißen Stift übertragen.
Achtung: ich habe es so angeordnet, dass die glatte Seite des Leders beim Oberteil außen ist, beim Sohlenteil aber innen. Da muss man etwas aufpassen beim Übertragen der Schablonen, dass man nicht Innen- und Außenseite verwechselt 😉


Abweichend vom genialen Verschluss der skandinavischen Schuhe im Video habe ich mich für eine kleine Schnürung über dem Spann entschieden. Deshalb habe ich zunächst die Ösen für die Schnürsenkel eingeschlagen. Anschließend werden alle Löcher mit einer flachen Ahle vorgestochen. Der Lochabstand sollte nicht mehr als 3-5mm betragen. Ich hatte zuerst fast einen Zentimeter, musste das aber später korrigieren, siehe unten.

Die Naht an der Seite, die beide Enden des Oberteils verbindet, wird auf Stoß genäht, d.h. sie überlappt nicht und muss sehr präzise und mit möglichst engen Abständen zwischen den Löchern genäht werden. Wie das geht wird in diesem Video sehr schön erklärt.
Da mein Leder nicht mal halb so dick ist, wie das in dem Video, ließ sich das Garn (übrigens schwarzes, gewachstes Takelgarn) leider nicht perfekt im 45° Winkel durch das dünne Leder stechen, weswegen die Naht von außen sichtbar ist. Das geht mit dickerem Leder „unsichtbarer“.


Ober- und Unterteil werden mit einer Sattlernaht, also zwei gegenläufigen Fäden vernäht, so wie ich das bei den ersten Esparaches schon erklärt habe (im Video).

Wenn alles fertig vernäht ist, sieht es schon fast gut aus, aber hier kommt der Titel zum Tragen: umgekehrt wird ein Schuh draus. 😀 Deswegen heißt er auch Wendeschuh (da kommt das Sprichwort übrigens wirklich her). Nach dem Umkrempeln ist er im Prinzip fertig, dann kommen nur noch die Schürsenkel rein. Ich habe Gummis dafür genommen und jeweils mit Klemmen versehen, zuerst durchsichtige, später kleinere schwarze (siehe Foto ganz oben).


Nach dem ersten Anprobieren merkte ich, dass die Bereiche der Großzehen zu großzügig bemessen waren (kleine Unsicherheit bei der Erstellung der Schablonen) und stark zur Innenseite ausbeulten. Deswegen habe ich dort die Naht ein paar Millimeter nach innen versetzt und dann passte es.
Außerdem bemerkte ich noch, dass sich das Leder zwischen den Löchern der Nähte durchdrückte. Da habe ich dann alles nochmal komplett aufgemacht und die Anzahl der Löcher verdoppelt, d.h. zwischen allen vorgestanzten Löchern nochmal eins in die Mitte gesetzt. Damit sind die Nähte wirklich sauber und von außen kaum noch erkennbar.


Die Schuhe sitzen sehr gut und es war die richtige Idee, die Sohle entgegengesetzt einzusetzen. So habe ich die schöne Seite des Glattleders am Oberteil außen, an der Sohle aber innen.

Das hat erstens den Vorteil, dass es sich leichter reinigen lässt – falls man mal mit dreckigen Füßen in die Schuhe schlüpfen muss. Und außerdem wollte ich noch eine Schicht Flüssiglatex auf der Sohle auftragen, das haftet auf der rauen Seite besser als auf der glatten.


Ich habe das hauptsächlich gemacht, um das Leder vor dem Durchscheuern zu schützen, wenn ich damit draußen laufen muss. Naja, allzu oft werde ich damit wohl nicht auf Straßen oder steinigen Untergründen herumlaufen, sondern eher in Innenräumen, aber sicher ist sicher…
Auf jedem Fall sind sie als Notschuhe perfekt, weil sie keine starre Sohle haben und sich somit noch kleiner zusammenrollen lassen als die Esparaches. Außerdem hoffe ich, dass das Leder nicht so leicht ausreißt und damit auch länger hält. Für den kurzfristigen Einsatz beim Frühstück im Hotelrestaurant, im Museum oder sonstwo, wo barfuß nicht erwünscht sein sollte taugen sie allemal und sehen dabei sogar ganz edel aus mit dem schwarzen Glattleder. Das passt vielleicht sogar zum schwarzen Anzug 😀

Einzig bei großer Hitze bin ich noch skeptisch, ob es nicht zu warm und schwitzig wird. Aber dafür habe ich dann ja die zwei Paar selbstgemachte Stoffschuhe als Alternative.