Das Märchen von der Lederhaut

Es war einmal ein kleines Männlein, das ging immer und überall barfuß, im Sommer und im Winter, über Stock und über Stein. Es hüpfte und sang dabei und wurde umso vergnügter, je länger es so lief. Es hatte niemals kalte Füße und auch keinen Schnupfen.

Die Menschen im Ort wunderten sich und staunten und sagten: „da hast du bestimmt eine dicke Hornhaut unter den Füßen, vom vielen Barfußwandern?!“ Das Männlein aber sagte:

„Nein, eine Hornhaut habe ich nicht,
denn das ist tote Haut,
die reibt sich beim Barfußgehen ab.
Stattdessen habe ich eine Lederhaut!“

BarfußmännleinOje… 🙄 So oder ähnlich muss es angefangen haben. Denn seit Jahrzehnten hält sich hartnäckig der „Mythos Lederhaut“ beim Barfußvolk.

In der realen Welt ist das leider völliger Unsinn! Ich weiß nicht, wer diesen Quatsch als erstes verbreitet hat? Aber man hört und liest das immer wieder in Interviews oder (Fach-)Büchern zum Thema Barfußlaufen. Die Aussagen sind meist sehr ähnlich, aber trotzdem nicht richtig! Man kann sich mit solchem Falschwissen ganz schön blamieren. Bitte niemals weitererzählen!

Die Wirklichkeit

Wer es ganz genau wissen möchte, kann eine sehr detaillierte Beschreibung der Haut und ihrer Funktionen im barfussblog.de nachlesen. Ich fasse hier nur die wesentlichen Punkte zusammen und beschreibe dann kurz, warum das oben erwähnte Märchen von der Lederhaut in ALLEN PUNKTEN falsch ist:

Hautaufbau

Die Haut besteht aus drei Schichten. Das ist am ganzen Körper so, ganz egal, ob an der Nasenspitze, am Hintern oder unter den Füßen. Je nach Körperteil sind die Hautschichten aber unterschiedlich ausgeprägt. Hier eine einfache Übersicht der Hauptmerkmale, die uns für die Fußhaut interessieren:

  • Oberhaut (Epidermis)
    • Dicke Fußhautproduziert Hornzellen, die nach außen transportiert und abgenutzt werden (=Hornhaut!)
    • normalerweise nur wenige Zehntel Millimeter dick, kann unter den Füßen bis zu einen halben Zentimeter anwachsen
    • bildet mechnanischen und chemisch/biologischen Schutz (Säuremantel, Abwehrzellen) gegen Eindringlinge (Erreger und Fremdkörper)
    • bietet UV-Schutz durch Bildung von Melanin
    • enthält keine Blutgefäße und Schmerzrezeptoren, d.h. Verletzungen der Oberhaut bluten nicht und tun nicht weh
  • Lederhaut (Dermis)
    • besteht aus stützendem und elastischem Bindegewebe
    • enthält viele Gefäße zur Blutversorgung der Haut
    • enthält Schweißdrüsen und Talgdrüsen zur Kühlung bzw. Befeuchtung der Haut
    • enthält viele Nervenenden und Rezeptoren (Temperatur, Druck, Schmerz)
  • Unterhaut (Subcutis)
    • enthält Bindegewebe mit Fettzellen
    • kann bis zu mehrere Zentimeter dick werden
    • dient unter den Füßen als Polster
    • speichert Energie und isoliert gegen Kälte

In diesem Film wird das sehr kurz und anschaulich erklärt:
(Quelle: www.stiftung-gesundheitswissen.de)


(Videos werden als externe Inhalte ohne Cookies vom YouTube-Server geladen)

Richtigstellung des Märchens

Mit diesem Wissen können wir nun die vier Hauptpunkte der Behauptung aus dem Märchen widerlegen:

„Vom Barfußlaufen bekommt man keine Hornhaut“

→ Doch! Naja, eigentlich hat man sie schon und bekommt sie nicht erst. Aber die sonst dünne Hornzellenschicht wächst bei regelmäßiger Beanspruchung stark an, so dass man auf jeden Fall eine dickere Hornhaut bekommt.
Anders als z.B. bei Reibestellen von Schuhen ist diese Hornhaut aber gleichmäßig über die Fußsohle verteilt und bleibt dabei geschmeidig und flexibel. Sie stört auch nicht, sondern ist nützlich, da sie den Fuß schützt. Ich weiß nicht, warum sich viele Barfüßer so vehement dagegen wehren, eine Hornhaut zu haben?! Ich bin sehr stolz auf meine!
Wer z.B. ein Saiteninstrument spielt, redet auch ganz selbstverständlich von einer Hornhaut an den Fingerkuppen.

„Im Gegenteil, die Hornhaut reibt sich dadurch runter“

→ Das ist auch nicht ganz richtig. Die produzierten Hornzellen werden tatsächlich abgerieben – dazu sind sie da. Aber man läuft sie nie ganz runter. Denn wenn man das tut, wird es sehr schmerzhaft. Deswegen sollte man bei längeren Wanderungen darauf achten, immer nur so viel Haut zu „verbrauchen“, wie über Nacht wieder nachwachsen kann. Sonst tut’s nämlich weh! Oder Schuhe anziehen, wenn es zu viel wird.
An den Rändern der Ferse oder der Zehen können auch bei Barfußläufern dicke Schwielen entstehen, die sich beim Laufen nicht abreiben, weil sie wenig direkten Bodenkontakt haben. Diese kann man ggf. mit einem Bimsstein oder einer Feile nachbearbeiten.

„Hornhaut ist tote Haut“

→ Das stimmt so nicht. Richtig ist zwar, dass die ganz äußere Schicht aus abgestorbenen Hornzellen besteht, die beim Gehen abgerieben werden. Aber darunter werden munter weiter Hautzellen gebildet, die mithilfe von Keratin verhornen, um später auch wieder abgestoßen werden zu können. Das ist also ein ziemlich lebendiger Vorgang insgesamt.
Das ist auch das Tolle daran: im Gegensatz zu einer toten Schuhsohle, die irgendwann durchgelaufen ist, wächst die Fußsohle ständig nach!

„Barfußläufer bekommen stattdessen eine Lederhaut“

→ Das ist völlig falsch, denn genau wie die Hornhaut hat man die Lederhaut bereits von Geburt an und bekommt sie nicht erst. Und schon gar nicht anstelle einer Hornhaut. Außerdem läuft man niemals direkt auf der Lederhaut, denn sie ist die mittlere Schicht der dreiteilig aufgebauten Haut.
Spricht man anschaulich von „Leder“ oder „ledriger Haut“, ist das sicher eine treffende Beschreibung für die robuste Fußhaut – wie könnte ich auch etwas anderes behaupten, als Betreiber der Domain „lederfuesse“? Aber „Lederhaut“ ist als Fachbegriff bereits reserviert und sollte daher nicht im falschen Zusammenhang verwendet werden.

Ledrige Haut

Fazit / Zusammenfassung

Ja, vom Barfußgehen bekommt man eine dicke Hornhaut!

Aber nicht nur, sondern alle Hautschichten verstärken sich und schützen und unterstützen somit den Körper. Dabei ist keine Hautschicht wichtiger als eine andere, sondern alle drei Schichten sind essenziell und verstärken sich jeweils auf ihre Art, wenn sie regelmäßig beansprucht werden:

  • Die Oberhaut mit der Hornhaut wird dicker und bietet einen besseren Schutz vor Eindringlingen.
  • Das Bindegewebe in der Lederhaut verdichtet sich und verstärkt die Fußhaut. Zusätzlich wird hier die Durchblutung angeregt.
  • Das Unterhaut-Fettgewebe wird dicker und bildet sowohl ein Laufpolster als auch bessere Wärmeisolierung der Haut.

Die Haut wird insgesamt stärker und fühlt sich „ledrig“ an.
So kann man es problemlos darstellen.

Glaube keiner Statistik, die Du nicht selber gefälscht hast

Wenn man so selten Schuhe anzieht, sagt man gerne mal sowas wie „ich bin zu 95% barfuß“. Aber das ist bloß eine Schätzung, denn ich weiß gar nicht genau, wieviel Prozent ich barfuß bin und wie oft ich Schuhe trage. Bis jetzt 😉

Schuhsymbole im BusIch wollte wissen, wie hoch mein Barfußanteil wirklich ist und habe deswegen ein Jahr lang Buch geführt, wann, wie lange und warum ich Schuhe trage. Und zwar auf die Minute genau! Krank, oder? 😳

 

Also hier die Ergebnisse meiner nutzlosen Statistik:

Das Jahr 2022 hatte 8760 Stunden. Nach meinen Aufzeichnungen habe ich in Summe genau 71:15 Stunden Schuhe getragen. Das entspricht  0,8% der Gesamtzeit. Das sind nicht mal drei Tage am Stück, wenn man es zusammenzählt.

Jetzt könnte man aber sagen, das ist geschummelt, weil auch „normale“ Menschen nachts keine Schuhe tragen. Also ziehe ich mal pauschal 8 Stunden pro Nacht ab.  Übrig bleiben 5840 Stunden Tageszeit pro Jahr. Damit bin ich bei 1,2% Schuhtragezeit tagsüber (entspricht viereinhalb Tagen am Stück).

Grob gerundet war ich also 99% des Jahres barfuß und habe nur 1% Schuhe angehabt. Oder anders formuliert:

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Erstaunlich! Ich hätte nicht gedacht, dass der Barfußanteil so hoch ist. Interessant ist die Verteilung der Gründe, warum Schuhe nötig waren (Prozentangaben bezogen auf die Tageszeit abzüglich Nacht):

  • Kälte: 7:39 Stunden (0,13%)

Barfuß im SchneeErstaunlicherweise ist der Anteil wegen sehr niedriger Temperaturen der kleinste. Zum Anfang des Jahres nur etwas über eine Stunde (ich habe am 12.2. überhaupt das erste Mal im Jahr Schuhe angehabt), der Rest im Dezember, größtenteils bei Minusgraden.

  • Orientierungslauf: 18:13 Stunden (0,31%)

OLHätte ich mir einen anderen Sport als ausgerechnet Orientierungslauf (OL) ausgesucht, würde der zweitgrößte Posten glatt ganz wegfallen. Aber bei Wettkämpfen im Wald wäre es zu gefährlich ohne schützende Schuhe. Wettkämpfe in Wohngebieten oder Stadtparks bin ich allerdings auch barfuß gelaufen.

  • Gesellschaftliche Anlässe: 36:50 Stunden (0,63%)

PhilharmonieGesellschaftliche Zwänge waren der mit Abstand häufigste Grund. Also wenn von mir erwartet wurde, dass ich Schuhe trage – oder ich das zumindest annahm – obwohl medizinisch nicht notwendig, weil weder akute Verletzungs- noch Erfrierungsgefahr bestand. Das waren z.B. Firmen- bzw. Kundenveranstaltungen (dort war ich anteilig auch barfuß),  Hotelfrühstücke, Familienfeiern und Theaterbesuche in der Schule. In der Philharmonie war ich tatsächlich barfuß. Hat keinen gestört!

  • Sonstiges: 8:33 Stunden (0,15%)

MatschHinter „Sonstiges“ verbirgt sich u.a. Schmutzvermeidung auf dem Weg zu Nachbarn, Infektionsschutz bei einer Hautverletzung und vermeintliche Sicherheitsvorschriften in einer französischen Schauhöhle und einer Erlebnisschlucht.

Nicht erfasst habe ich das kurzzeitige Tragen von Schuhen im Haus und auf dem Grundstück, also z.B. von der Eingangstür bis zum Waschbecken in der Abstellkammer oder wenn ich zu den Mülltonnen oder zum Kompost im Garten gegangen bin. Da ziehe ich meistens kurz Schlappen an, um keine dreckigen Füße zu bekommen. Wenn man dies noch dazu rechnen würde, kommen vielleicht nochmal 1-2 Stunden drauf, aber das ändert höchstens noch die zweiten Nachkommastellen der obigen Zahlen.

Laufstatistik 2022Ansonsten könnte ich anknüpfend an meine letztjährige Laufstatistik noch erwähnen, dass ich im vergangenen Jahr erstmalig über 1500km gelaufen bin – davon ca. 110km mit Schuhen (auf OL-Wettkämpfen und bei Minusgraden) und ganze 1410km barfuß. Meine längste gelaufene Strecke war 30,55km lang. Das ist doch was!

Und jetzt mein Vorsatz für das neue Jahr: keine Statistiken mehr führen! 🤣

Denn das verleitet nur dazu, die Schuhe auch dann wegzulassen, wenn es eigentlich sinnvoll wäre, welche zu tragen. Ich mach mir dieses Jahr keinen Stress mehr damit, Experiment beendet!

 

Im Blindflug durch den Herbstwald

Gestern war der Herbstwaldlauf in Berlin. Das ist ein 11 Kilometer langer Waldlauf (neudeutsch: Crosslauf) durch den Tegeler Forst, der mit rund 120 Höhenmetern auch einiges an vertikaler Bewegung bietet. Vor drei Jahren hatte ich mich bereits dafür angemeldet, musste aber kurzfristig meinen Startplatz wegen einer Knieverletzung abgeben. Danach fiel er coronabedingt aus und letztes Jahr kam auch irgendwas dazwischen. Jetzt habe ich es aber endlich geschafft und bin mitgelaufen!

Im Nachhinein frage ich mich aber, was ich daran so besonders fand, dass ich mich unbedingt anmelden musste? Warum habe ich 12€ Startgeld bezahlt, um durch den gleichen Wald zu rennen, in dem ich sowieso häufig laufe, und dann noch auf Wegen, die ich selbst nicht bevorzugen würde und das Ganze noch im Rahmen einer stressigen Veranstaltung mit fast 800 Teilnehmern…? Hm, ich weiß nicht, was ich daran so faszinierend fand, aber immerhin ist das „tolle Erlebnis“ damit abgehakt und ich muss mich zukünftig nicht mehr dafür anmelden.

Trotz kraftraubendem Orientierungslaufwettkampf am Vortag konnte ich Sonntag früh gut ausgeruht am Sportplatz in Hermsdorf aufschlagen und meine Startnummer abholen. In der Zeit bis zum Start versuchte ich mich möglichst warum zu halten und die Füße nicht auskühlen zu lassen. Bei angenehmen 5°C Lufttemperatur war der Boden doch noch sehr frostig von den Minusgraden der Tage zuvor.

Herbstwaldlauf Siegerpodest
Schnellster Barfußläufer ohne eigene Wertung

Ich startete fast ganz hinten im Feld der 440 Läufer des Hauptlaufes. Das war nicht so klug, denn am Ende des Sportplatzes mussten sich alle durch ein schmales Tor quetschen, was Zeit kostete. Auf der Strecke konnte ich dann aber wider Erwarten doch Gas geben und im Wettkampftempo durch den herbstlichen Wald rennen. Daher auch der Titel „Blindflug“, denn man konnte nicht immer sehen, was unter dem dichten Laub versteckt ist: Steine, Wurzeln, Löcher… aber wenn man schnell genug ist, fliegt man einfach drüber 😉

Immerhin konnte ich so gut 300 Leute überholen und ein bisschen Werbung für das Barfußlaufen machen. Ich schätze allerdings, dass ich weniger Leute zum Nachahmen begeistern konnte als vielmehr für einiges Kopfschütteln gesorgt habe. Aber das ist mir dann auch egal. Ich selbst bin durchaus zufrieden mit der Zeit von unter 55 Minuten, auch wenn auf den letzten 2km etwas die Luft raus war.

Herbstwaldlauf Urkunde
Meine Urkunde
Herbstwaldlauf Medaille
Hübsche Medaille

Auf leisen Sohlen

Barfuß hört man!

Gestern lief ich wieder eine längere Runde durch den Tegeler Forst und durch Heiligensee. Und an einer Straße, wo ich stehen blieb, sprach mich plötzlich ein älterer Mann von der Seite an:

„Bist Du barfuß?“

Ich war erstmal etwas erstaunt, wenn nicht sogar genervt über diese Frage und gab zurück:

„Ja, sieht so aus, oder?“

Daraufhin er wieder:

„Das finde ich ja ganz toll. Das hört man.“

Da sah ich erst das Blindenzeichen an seiner Mütze und es tat mir leid, dass ich erst so patzig war.

„Oh Sie sehen nichts, tschuldigung! Ja ich bin seit Jahren nur noch barfuß unterwegs und es geht mir besser damit, also gesundheitlich und auch sonst.
Konnten Sie das wirklich hören?“

Er:

„Ja! Das hört sich ganz anders an.“

Ist das nicht klasse?! Der Mann hat gehört, dass ich barfuß rumlaufe und war ganz begeistert. Das finde ich großartig!

Klar, barfuß kracht man nicht so in den Boden und deswegen ist man wohl leiser unterwegs. Wie oft haben sich schon Spaziergänger erschrocken, die ich beim Joggen überholt habe, weil sie mich nicht kommen hörten! Denen fehlte das typische „Chrrrppp, chrrrppp, chrrrppp, chrrrppp…“ (gekiester Fußweg), um mich akustisch als Jogger zu erkennen.

Wenig später begegnete ich dem Mann nochmal in der Gegenrichtung und bevor ich etwas sagen konnte, rief er mir aus 5 Meter Entfernung schon zu:

„Ja, das hört man ganz deutlich!“

Er hatte mich schon wieder von Weitem erkannt. Grandios!

Lauf am Tegeler Fließ
Lautlos unterwegs (Beispielbild)

Die 10 Ge(h)bote

Oder: warum das Tragen von Schuhen Gotteslästerung ist?

Ich bin wahrlich kein religiöser Mensch. Im Gegenteil, ich für meinen Teil lehne jede Art von Religion grundsätzlich ab. Gibt doch immer nur Ärger…

Göttliches AugeEtwas anders sieht es mit „Gott“ aus. An einen alten Mann mit weißem Bart glaube ich natürlich nicht! Aber ich glaube an übergeordnete Kräfte, die alles Erklärbare und nicht Erklärbare bestimmen. Die Gesetze der Naturwissenschaften nämlich! Die sind so wunderbar und faszinierend und haben im Laufe der Evolution einzigartige Schöpfungen hervorgebracht.

Einfach ausgedrückt: die Natur ist Gott für mich.

Und diese göttliche Natur hat durch viele Millionen Jahre hindurch den Menschen und seinen Bewegungsapparat perfektioniert und zu einem genial ausgeklügelten System gemacht, das extrem anpassungsfähig und belastbar ist und sich zudem permanent selbst erneuern und heilen kann. Wow!

Nur das Gehirn kam offenbar mit der Evolution nicht ganz mit. Und so erfand der Mensch in seiner unendlichen Weisheit zahlreiche Dinge, um die Natur NOCH besser zu machen – zum Beispiel Schuhe. Eigentlich eine tolle Sache, diese Schuhe. Sie schützen vor Verletzungen und extremen Temperaturen. Das ist gut. Nur übertreibt es der Mensch leider und trägt immer und überall Schuhe, auch dann, wenn sie gar keinen Vorteil bringen. Und er gestaltet sie außerdem so, dass sie überhaupt nicht zur ursprünglichen Form des Fußes passen und diesen einengen und sogar verformen. Damit schädigt er nicht nur die Füße, sondern die ganze Körperstruktur!

So, wenn man nun also annimmt, dass „Gott“ gleichbedeutend mit „Natur“ ist und dass der Mensch sich erdreistet, in das evolutionär gereifte Bewegungssystem – also in die Natur – einzugreifen, indem er Schuhe trägt und damit das natürliche – also gottgegebene – Gangbild verändert… dann, ja dann muss man eigentlich zu dem Schluss kommen, dass das dauerhafte Tragen von Schuhen Gotteslästerung ist!

Puh! Harte Worte! Ist vielleicht etwas überspitzt, aber nicht ganz abwegig.

AHA - Erkenntnis

Die folgenden Zehn Gebote sollen aufzeigen, dass der Mensch im Gegensatz zur göttlichen Natur seine Sache eher schlampig gemacht hat – obwohl er glaubt, es besser zu wissen. Denn fast alles an modernen Schuhen widerspricht der natürlichen Form und Funktion menschlicher Füße. Hauptsache modisch… 🙄

Im Gegensatz zu den überwiegend negativ formulierten biblischen VERboten („Du sollst nicht…“) formuliere ich lieber echte GEbote in positiver Form (zum Aufklappen):

Könnte auch heißen: Du sollst dich nicht selbst erhöhen (aber das wäre ja wieder negativ formuliert). Der Fuß ist dazu da, flach auf dem Boden zu stehen. Nur mit der ganzen Fläche des Fußes steht dieser auch stabil und kann das Gewicht gleichmäßig verteilen. Darauf ist der ganze Bewegungsapparat ausgerichtet. Eigentlich!

Schiefstand auf Keil
Auf einem Keil kann man nicht gerade stehen

Wenn man sich aber auf einen Keil (Absatz) stellt, gerät man auf die schiefe Bahn. Die ganze Körperstatik kommt aus dem Gleichgewicht. Der Vorfuß wird übermäßig belastet, die Achillessehnen verkürzen sich und Gelenke werden anders beansprucht als natürlicherweise vorgesehen. Überlastungen sowie Knie-, Hüft-, Rücken-, Nackenschmerzen können die Folge sein. Ein gelenkschonender Vorfußgang ist in Schuhen mit Absatz kaum mehr möglich. Auch das Gleichgewicht wird gestört, wenn man nicht fest mit dem flachen Fuß auf dem Boden steht.

Die Zehen sind die Verlängerung der Mittelfußknochen und sollten mit diesen in einer Linie stehen. Der Fuß ist damit vorne deutlich breiter als hinten. Das ist wichtig, da Groß- und Kleinzehenballen mit der Ferse ein Dreieck bilden, was für einen stabilen Stand sorgt. Die Großzehe dient dabei als natürliche Pronationsstütze und unterstützt das Längsgewölbe.

Herkömmliche Schuhe berücksichtigen diese Fußform so gut wie nie. Selbst vermeintlich bequeme Sportschuhe laufen vorne spitz zu. Das soll elegant aussehen... naja, höchstens solange die Füße in Schuhen versteckt sind. Denn die Folge sind zusammengedrückte Zehen, die schon im Kindesalter deformieren und später zu Ballenzehen (Hallux valgus) und/oder Hammerzehen führen (sehr elegant...). Fehlt die Stütze der zur Mitte gedrückten Großzehe, knickt der Fuß nach innen ein (Knickfuß). Durch Einengung der Zehen wird außerdem auch der Vorfußgang verhindert, da ein Auffächern der Zehen unmöglich ist. Der Mensch verfällt selbst bei höherem Tempo in den Fersengang, was die Gelenke stark belastet.

Fußabdruck vs. Schuhform
Passform - wie soll das da reinpassen?

Barfuß auf Schotterweg
Jeder Untergrund verdient es, intensiv gespürt zu werden

Die Haut unter den Füßen ist dichter mit Nerven durchsetzt als die meisten anderen Körperstellen. Das hat einen Grund! Der unmittelbare Kontakt gibt Rückmeldungen über die Beschaffenheit und Temperatur des Untergrundes. Das unterstützt zum Beispiel die Sensomotorik, denn ein direktes Feedback erleichtert es, die Balance zu halten. Hautkontakt fördert aber auch die Synapsenbildung im Gehirn. Durch permanente Stimulation der Fußnerven wird die Hirntätigkeit angeregt. Man fühlt sich "geerdet" und es werden Endorphine (Glückshormone) ausgeschüttet. Außerdem wird die Sohlenhaut deutlich dicker und robuster, wenn sie mechanisch beansprucht wird. Alle Hautschichten verstärken sich und bilden so ein starkes Polster, das auch längeren starken Belastungen standhält, ohne Blasen zu bekommen.

Bei Isolation der Haut durch eine Schuhsohle entfällt das Training der Sensorik. Alles fühlt sich gleich an, die Reizarmut führt zur Abstumpfung, Veränderungen des Untergrundes werden langsamer oder gar nicht wahrgenommen. Durch diese "sensorische Blindheit" kann auch das Stolperrisiko zunehmen, gerade im Alter. Ohne Bodenkontakt wird die Haut nicht gefordert, sie bleibt dünn und empfindlich (auch in sog. „Barfußschuhen“).

Frische Luft tut den Füßen gut. Die Haut bleibt trocken und schwitzt nicht. Und wenn doch, dann trocknet der Schweiß schnell und stinkt nicht. Gut belüftete Haut ist auch weniger anfällig für Pilze und andere Keime. Sonnenstrahlung auf der Haut sorgt außerdem für die Ausschüttung von Endorphinen wie z.B. Serotonin. Das steigert das allgemeine Wohlbefinden und stärkt ebenfalls das Immunsystem.

In Schuhen hingegen bekommt man schnell Schweißfüße. Über einen längeren Zeitraum wird die Haut feucht und käsig. Erst recht, wenn Schuhe und Socken nicht auslüften können und mehrere Tage hintereinander zum Einsatz kommen, ohne gewechselt zu werden. Die Haut baut keinen guten Eigenschutz auf, wenn sie selten ans Tageslicht kommt. Das begünstigt einen Pilzbefall von Haut und Nägeln, denn Pilze mögen es feucht, warm und dunkel.

Fuß mit Pilzen
Vorsicht vor Pilzbefall

Wenn man barfuß geht, werden Muskeln, Bänder und Sehnen gestärkt, denn sie werden dabei stärker beansprucht als beim Gehen in Schuhen. Das betrifft nicht nur die Fußmuskulatur, sondern auch die Waden und Oberschenkel. Eine kräftige Wadenmuskulatur hält unter anderem die Fußgewölbe von oben in Form (weswegen auch eine Hebung platter Füße von unten mit Einlagen unsinnig ist). Ein kräftiger Abstoß mit den Zehen stärkt die Zehenmuskulatur, die u.a. beim federnden Vorfußgang eine wichtige Rolle spielt.

Schuhe nehmen den Füßen die Arbeit ab. Durch „ergonomische“ Formung und vor allem starke Polsterung von Außen- und Innensohlen muss der Fuß weniger arbeiten - die Muskulatur verkümmert. Als Folge fallen Quer- und Längsgewölbe ein, der Fuß knickt nach innen (Knick-/Senkfuß). Mit Pronationsstützen oder Einlagen wird der Muskulatur noch mehr Arbeit abgenommen und der Effekt verschlimmert sich. Auch dadurch, dass man in Schuhen weitgehend in den Fersengang verfällt, wird der Vorfuß bzw. die Zehen weniger belastet, wichtige Muskelgruppen bilden sich zurück.

Barfußgehen gibt Kraft
Starke Muskeln durch Barfußgehen

Dass man vom Barfußgehen auf kaltem Boden eine Erkältung oder Blasenentzündung bekommen kann, ist ein unsinniges Ammenmärchen. Im Gegenteil wird das Immunsystem durch den Kältereiz trainiert und gestärkt (das ist der Kernpunkt von Sebastian Kneipps Lehre). Die Temperatur des Untergrundes ist fast immer niedriger als die Körpertemperatur. Zum Ausgleich sorgt der Körper für Energienachschub in Form von besserer Durchblutung der Füße. Als Folge wird der Körper sogar weniger anfällig für Infektionen. Ein weiterer positiver Effekt: man bekommt seltener kalte Füße. Also kalt werden die Füße natürlich schon, aber man friert dabei nicht, das ist der Unterschied! Es ist nicht mehr unangenehm. Selbst im Winter können niedrige Temperaturen problemlos gemeistert werden, wenn die Durchblutung der Füße funktioniert.*

In Schuhen herrscht fast immer dieselbe Temperatur und die ist in der Regel gleich der Körpertemperatur oder sogar höher, auf jeden Fall immer wärmer als die Bodentemperatur. Die körpereigene Wärmeregulierung der Füße wird abgeschaltet, denn sie wird nicht mehr benötigt (Prinzip: „use it or lose it“). Sind aber die Schuhe erstmal kalt, schaffen es die Füße nicht, sich selbst und die Schuhe aufzuwärmen. Dann friert man, was zu Unwohlsein führen kann und im schlimmsten Fall tatsächlich das Immunsystem schwächt.

Barfuß Schneeschippen
Nie mehr kalte Füße - Kältereiz fördert die Durchblutung

*Anm.: bei Minusgraden sind Schuhe allerdings sinnvoll, denn dann ist die Gefahr von Erfrierung hoch, weil der Körper Schädigungen des Gewebes unter Umständen nicht mehr zuverlässig als Schmerz meldet (Wärmegefühl trotz Erfrierung).

Der menschliche Körper ist dem Schwerfeld der Erde ausgesetzt und muss diesem beim Stehen und Gehen entgegenwirken. Das funktioniert umso besser, je fester der Untergrund ist. Auf einem harten Boden erreicht man mehr Gegenkraft als auf einem weichen. Beispiel: Wasser, Schlamm, Sand, Beton – worauf steht man wohl am stabilsten, ohne zu wackeln oder gar einzusinken? Daher ist ein definierter, harter Abstoß notwendig, um einen Widerstand gegen die Schwerkraft zu richten. Das geht barfuß am besten!

Stehen auf festem und weichem Boden
Stabiler Stand auf hartem Boden / auf weichem Polster

Je dicker und weicher eine Sohle ist (z.B. Schaumstoff), desto instabiler wird der Stand und der Gang. Durch eine weiche Sohle wird mehr Energie absorbiert (=verschwendet) und steht beim Abstoß nicht mehr zur Verfügung. Überlastungen können die Folge sein. Tatsächlich werden die Gelenke und Sehnen umso mehr belastet, je weicher ein Schuh gepolstert ist. Das klingt paradox, wurde aber bereits in den 1980er Jahren in wissenschaftlichen Studien belegt. In stark gepolsterten Schuhen bekommt das Gehirn außerdem von den Füßen eine andere Rückmeldung über den Untergrund als das Auge es meldet. Das kann zu latentem Stress führen.

Die Natur sieht vor, dass Menschen locker in einer fließenden Bewegung gehen und nicht steif und unbeweglich. Dabei gelten drei einfache Regeln:

  1. Ein Gelenk bewegt sich nie alleine, sondern immer gemeinsam mit anderen Gelenken.
  2. Reihenfolge: erst große Gelenke, dann kleine, z.B. erst Hüfte, dann Oberschenkel, dann Unterschenkel, die Füße folgen dann fast von selbst (nur so kann Ballengang funktionieren!)
  3. Gelenke sind niemals ganz durchgestreckt, sondern haben immer etwas Vorspannung.

Wenn man das beachtet, läuft man mit dem Körper, statt gegen ihn, d.h. man nutzt Bewegungsenergie, statt Kraft zu vergeuden. Leicht angewinkelte Gelenke ebenso wie die Fußgewölbe speichern die Energie beim Aufprall. Diese Energie wird beim Abstoß wieder abgegeben und erleichtert den Bewegungsablauf, ohne dass jeder Schritt zum Kraftakt wird. Das funktioniert barfuß am besten.

Schuhe verändern die Gangart. Durch zusammengedrückte Zehen im Vorderbereich sowie die erhöhte Ferse am Absatz kann der Fuß nicht so aufsetzen wie es beim Barfußgehen der Fall ist. Das verminderte Empfinden für die Beschaffenheit des Untergrundes trägt zusätzlich zur Vernachlässigung des Ganges bei. Man latscht einfach nur so vor sich hin, womöglich mit durchgedrückten Knien. Die Bewegungsreihenfolge kommt durcheinander, Versteifungen im ganzen Körper verbrauchen unnötig Kraft und führen zu starker Belastung der Gelenke.

Silly Walk
Gehen wie ein Mensch - immer locker bleiben

Wer barfuß geht, achtet stärker auf den Weg. Zunächst sehr bewusst, später eher unbewusst. Scherben, Hundehaufen oder Stolperfallen werden intuitiv erkannt und umgangen. Zudem entschleunigt das Barfußgehen, da man bewusster und vielleicht auch etwas langsamer geht. Auch die Natur wird geschont, wenn man besser darauf achtet, wohin man tritt, z.B. kleine Pflanzen oder Tiere am Boden.

Mit Schuhen trampelt man gefühllos durch die Gegend und beachtet den Weg kaum. Das kann tatsächlich auch die Verletzungsgefahr erhöhen, z.B. durch Stolpern oder Anstoßen. Liegt der Fokus nicht auf dem Weg, wird mit groben Sohlen auf natürlichem Untergrund mehr zerstört als auf blanken Sohlen.

Blindschleiche und Schild
Achtsamkeit schont die Natur

Schuhe kosten Geld! Viele Schuhe kosten viel Geld, wenige Schuhe kosten wenig Geld, keine Schuhe kosten kein Geld. Außerdem spart man beim Barfußlaufen eventuell auch weitere Kosten ein. Zum Beispiel für die Behandlung von Langzeitfolgen wie Fußdeformationen, Knie-, Hüft-, Rückenprobleme, Haut- und Nagelpilze usw.

leeres Schuhregal
sparsames Schuhregal (Sommerversion)

Quellen (Auszug):

Bücher:

Blog-Artikel und Videos:

Sonstiges:

  • Noch viel, viel mehr Artikel, Blogs und Videos im Internet. Zu viele, um sie alle hier aufzulisten
  • Und zu guter Letzt: die eigene Erfahrung als langjähriger Barfußfreak 😉

Mit dem Deichläufer übers Rollfeld

Tempelhofer Abendhimmel

Vor ein paar Tagen schrieb ich Volker vom Laufblog deichlaeufer.de an, wann er das nächste Mal in Berlin ist, denn ich wusste, dass er ab und zu mal von Oldenburg nach Berlin kommt, um hier ein paar Tage zu verbringen.

Wir kannten uns bis dahin nur vom Schreiben und Kommentieren in unseren Blogs, aber nicht persönlich. Er schrieb dann auch gleich zurück, dass er grad da ist und auch Zeit hätte, mit mir Laufen zu gehen. Upps, doch so kurzfristig?!

Okay, zwei Tage später fuhr ich hin, zu seiner super gelegenen Wohnung direkt am Tempelhofer Feld. Und einen Parkplatz habe ich sogar auch gleich gefunden (das ist absolut erwähnenswert!).

Mit Volker unterwegs

Laufstrecke ums Tempelhofer FeldBei beginnender Dämmerung (siehe Bild oben) starteten wir eine gemütliche Laufrunde einmal außen rum um den ehemalilgen Innenstadt-Flughafen und zwischendurch weihte ich Volker noch in die Geheimnisse(?) des Geocachings ein. Unter anderem, dass man dabei auch gerne mal auf einen Baum klettern darf, wenn es sein muss. Während Volker unter dem Baum vor Höhenangst mit den Knien schlotterte, freute ich mich oben über einen Kletter-Cache, der gar nicht so hoch ist, wie es normalerweise bei der Wertung zu erwarten wäre. Wie unterschiedlich die Wahrnehmung doch sein kann 😉

Auf dem Baum (von unten)Auf dem Baum (von oben)

Durch die Zwischenstopps, bei denen es neben der Cachesuche auch noch zu einem längeren Gespräch mit einem Jogger kam, der am Barfußlaufen interessiert war, wurde es gegen Ende schon ziemlich dunkel und ich ärgere mich, dass ich vorher nicht  noch mehr Fotos von uns gemacht habe. Die hier sind schon zur Hälfte von Volker… Beim nächsten Mal mach ich mehr!

Mit protein- und kohlehydratreicher Sportlernahrung und isotonischen Powerdrinks (also Pizza und Bier) ließen wir den Abend dann gemütlich ausklingen. Das werden wir auf jeden Fall wiederholen!

Pizza und Prost

Hier noch die Links zu Volkers Blogs:

Barfuß – geht das nicht ohne Schuhe?

„Barfuß“ – was heißt das eigentlich? Diese Frage kann normalerweise schnell beantwortet werden – sollte man denken!? Barfuß ist man genau dann, wenn die Füße nackt sind, also wenn man weder Schuhe noch Strümpfe anhat. Wer würde da widersprechen?

Umso mehr wundert es mich, dass ich seit Jahren immer wieder in Dialoge wie den folgenden gerate, vor allem, wenn es ums Laufen im Sinne von Rennen/Joggen geht:

– „Ich laufe barfuß“
– „Du meinst, mit Barfußschuhen?“

Äh was? Nein, ich meine barfuß! Hab ich das nicht grad gesagt? Warum fragen immer alle nach Schuhen, wenn ich barfuß sage? Es fragt doch auch niemand einen FKK-Anhänger nach seinem Nackt-Anzug!
Auch die folgende Variante habe ich schon häufig gehört:

– „Wieso läufst Du barfuß? Zieh doch Barfußschuhe an…“

Es kommt mir so vor, dass es in vielen Köpfen eine Sperre zu geben scheint. Irgendetwas, das kategorisch ausschließt, über die heimischen vier Wände hinaus barfuß sein zu können. So ganz normale Dinge wie Einkaufen, Joggen, Wandern, Autofahren… das alles kann man doch wohl nicht barfuß machen!? Also wird automatisch „barfuß“ in „Barfußschuhe“ übersetzt.

Woran kann das liegen?

Barfuß-Schuh-Lauf
Barfuß-Schuh-Lauf, so sieht das aus!

Barfuß-Darstellung in den Medien

Ich glaube, es hat hauptsächlich damit zu tun, in welcher Weise das Thema Barfuß in den uns täglich umgebenden Medien präsent ist. Egal ob auf Papier oder online, ob in der Werbung, in journalistischen Medien oder auch in sog. User-Generated-Content, also Blogs, Foren, Kommentare etc.:

Immer, wenn irgendwo etwas über das Barfußlaufen geschrieben wird, kommen automatisch auch Schuhe ins Spiel. (…sogar hier bei mir, oje!)

Barfuß ist ein immer öfter auftauchendes Trend-Thema, es ist ja sooo gesund! Aber Leute, die es tatsächlich im Alltag machen, werden als Freaks, Extremsportler oder Spinner dargestellt. Und fast immer werden im gleichen Atemzug (Barfuß-)Schuhe erwähnt. Kein Wunder also, dass es so viele Leute nicht getrennt bekommen im Gehirn! Wahrscheinlich ist es für die meisten so unvorstellbar, seinen kompletten Alltag barfuß zu bestreiten, dass es automatisch um etwas ergänzt werden muss, das dem unbekannten Barfußlaufen eine bekannte Sicherheit gibt: Schuhe!

...aber doch wohl nicht im Winter?!
…aber doch wohl nicht im Winter?!

Barfuß kann man nicht verkaufen – Schuhe schon!

Warum sollte man nur über das bloße Barfußlaufen schreiben, wenn man auch zusätzlich Schuhe verkaufen kann? Ich sehe zunehmend Werbung für die sogenannten Barfußschuhe, die fälschlicherweise die Illusion vermitteln sollen, dass sie das Barfußgehen imitieren könnten. Ich selbst besitze auch Barfußschuhe, aber ich bin mir voll bewusst, dass ich damit nicht barfuß bin – nicht mal ansatzweise sowas Ähnliches wie barfuß! Deswegen spreche ich eigentlich immer nur von „Schuhen“ , der Begriff „Barfußschuhe“ ist nur ein (zugegeben gut funktionierender) Marketing-Gag. Diese Schuhe sind ein guter Einstieg oder eine Ergänzung zum Barfußgehen, aber niemals ein Ersatz!

Sucht man im Netz nach „barfuß“ , findet man deutlich mehr Schuhe als blanke Füße. Kaum ein Bericht über die gesundheitlichen Vorteile des Barfußgehens, in dem nicht auch noch Barfußschuhe beworben werden. Selbst viele Barfußcoaches scheinen ein großes Interesse daran zu haben, neben ihren Kursen auch noch Schuhe zu verkaufen.

Dadurch wird der irrige Eindruck vermittelt, man könne nur im Zusammenhang mit solchen Schuhen barfuß sein. Wie paradox!

Barfuß wandern mit Schuhen

Barfuß wandern ohne Schuhe
Barfuß wandern ohne Schuhe

Aber nicht nur bei Leuten mit finanziellem Interesse scheint diese verdrehte Darstellung verbreitet zu sein. Gibt man beispielsweise bei YouTube den Suchbegriff „barfuß wandern“ ein, kommen jede Menge Videos, in denen Leute mit Schuhen in die Berge gehen. Warum schreiben die dann barfuß? Sie wandern doch mit Schuhen. Und wenn die Sohle noch so dünn ist – es ist nicht barfuß!

Auto und Füße

Eine ganz furchtbare Vermischung kenne ich aus vielen Artikeln über das Autofahren. Gerade zum Frühjahr wird dann gerne gefragt:
Ist Autofahren barfuß oder in Flip-Flops erlaubt?
Da möchte ich schreiend wegrennen, denn beides hat nicht das Geringste miteinander zu tun (außer vielleicht, dass man bei Flip-Flops auch die Füße sehen kann). Mit der eigenen Fußsohle hat man ein wunderbares und direktes Gespür für das Auto und kann die Pedale sehr präzise bedienen. Mit Latschen hat man das nicht und es besteht die Gefahr, dass die losen Dinger verrutschen oder sich sogar unter die Bremse klemmen. Das ist natürlich gefährlich!
Verboten ist beides nicht, trotzdem kann man Flip-Flops nicht mit barfuß vergleichen, weder im Auto noch sonst irgendwo! Dennoch wird es häufig gleichgesetzt: „…mit Flip-Flops oder sogar ganz barfuß“ – Aua!
Dabei sind das zwei völlig verschiedene Paar Schuhe 😀

mit FlipFlops oder sogar ganz barfuß...
…mit FlipFlops oder sogar ganz barfuß…

Erschwerend (im Sinne von anti-barfuß) kommt hinzu, dass in solchen Artikeln gerne mal geschrieben wird, dass der Versicherungsschutz erlischt, wenn im Falle eines Unfalls der Zusammenhang mit dem fehlenden Schuhwerk nachgewiesen wird.
Das ist erstens falsch, denn die Haftpflicht zahlt in jedem Fall, zweitens (wenn es um die Kaskoversicherung geht) gilt das nicht nur für nackte Füße, sondern auch für Schuhwerk jeglicher Art, und drittens finde ich keinerlei Hinweise darauf, dass so ein Fall jemals eingetreten ist, wo Barfüßigkeit als unmittelbare Unfallursache eingestuft wurde. Also warum wird das immer extra erwähnt?

Durch solche überflüssigen Hinweise entsteht dann der Eindruck, dass barfuß Auto fahren zwar erlaubt ist, aber irgendwie doch etwas Schlimmes und Gefährliches. Und wenn man schon barfuß fährt, sollte man dabei lieber Schuhe tragen… uff!
Offenbar ist die Berichterstattung zu diesem Thema allgemein sehr einseitig aufgestellt, dann es ist erkennbar, dass dieser Unsinn zigfach voneinander abgeschrieben wird. Übrigens nicht nur von Zeitungsredaktionen – selbst auf einer TÜV-Webseite habe ich das so gefunden! 🤦‍♂️

Experten empfehlen barfuß – und raten davon ab

Leider wird auch in vielen eigentlich wohlwollenden Berichten über die positiven gesundheitlichen Auswirkungen des Barfußlaufens eine unglückliche Wendung genommen – wenn nämlich in dem Artikel ein „Fußexperte“ (Arzt oder Orthopäde) zu Wort kommt. Dieser preist zunächst die gesunden Vorteile des Barfußgehens an, um sie dann sofort wieder einzuschränken:
…man sei es ja nicht gewohnt und solle deswegen lieber nicht so lange barfuß gehen. Und nur auf ungefährlichen Untergründen, wie Wiesen oder in Barfußparks. Und auf Asphalt zu laufen, ist eh ungesund und Diabetiker sollten das sowieso nicht und… und… und…
Alles Punkte, die ich nachvollziehen kann (bis auf den Asphalt), aber warum werden eine handvoll Vorteile immer gleich mit einem ganzen Arsenal an Warnhinweisen abgeschwächt, so dass auch hier wieder der Eindruck entsteht, man könne gar nicht dauerhaft barfuß sein?! Klar muss man sich langsam dran gewöhnen, aber es geht! Das Fazit in solchen Berichten lautet aber meistens: barfuß laufen ist gut, aber besser nur mit Schuhen!

Schöner weicher Asphalt - eine Wohltat für die Füße
Schöner weicher Asphalt – eine Wohltat für die Füße

Man muss es Medizinern wohl nachsehen, schließlich haben sie überwiegend mit kranken Füßen zu tun. Vom dauerhaften Barfußgehen haben die „Experten“ häufig gar keine Ahnung. Woher auch?

All das führt wohl dazu, dass es vielen Leuten so schwer fällt, sich wirklich bloße Füße vorzustellen, wenn man erzählt, dass man in der Stadt oder in den Bergen barfuß unterwegs ist.

– „Ach, Du meinst, mit Barfußsch…“
– „NEIN! Ohne! Denn nur barfuß ist barfuß!“

Der ultimative Test

Wie ist Deine Wahrnehmung? Kannst Du barfuß von nicht-barfuß unterscheiden?

Die folgende Collage zeigt 36 Barfußbilder. Aber es haben sich 10 Fehler eingeschlichen. Schau genau hin. Findest Du sie?

36x barfuß - finde 10 Fehler
36x barfuß – finde die 10 Fehler

Barfuß auf Schotter – nicht jugendfrei?

Gibt es einen Barfußfilter bei YouTube?Im Sommer dieses Jahres habe ich mich selbst beim Gehen über einen geschotterten Weg gefilmt. Einfach nur so, zur Selbstkontrolle, um zu sehen, wie ich mich eigentlich so bewege.

Vor einiger Zeit hatte ich das Filmchen nach etwas Bearbeitung in meinen YouTube-Kanal hochgeladen. Aber unmittelbar nach dem Upload war das Video schon mit dem Etikett „mit Altersbeschränkung“ versehen. Nanu!? Ich konnte das selbst nicht mehr ändern und habe mich sehr gewundert.

As you may know, our Community Guidelines describe which content we allow – and don’t allow – on YouTube. Your video Barfuß und locker über den Schotterweg was flagged to us for review. Upon review, we’ve determined that it may not be suitable for all viewers and it has been placed behind an age restriction. Ich bekam eine (automatische) E-Mail, in der stand, dass mein Video aufgrund von Richtlinien (Community Guidelines) eingeschränkt wurde und dass man Beschwerde dagegen einlegen könne. Also füllte ich das entsprechende Formular aus und erklärte, dass es wohl ein Irrtum sein müsse, denn in dem Video ist ja nichts Schlimmes zu sehen.

Thank you for submitting your video appeal to YouTube. After further review, we've determined that while your video does not violate our Community Guidelines, it may not be appropriate for a general audience. We have therefore age-restricted your video.Einen Tag später hatte ich bereits eine Antwort („Decision on your Video Appeal“) im virtuellen Postkasten, in der mir erklärt wurde, dass ich tatsächlich nicht gegen die Richtlinien verstoße. Aha, schon mal gut! Aber es sei „möglicherweise nicht für ein allgemeines Publikum geeignet“, deswegen bleibt die Altersbeschränkung bestehen…

Hä? Was ist mit denen  los? Seit wann sind nackte Füße nicht mehr jugendfrei? Oder liegt’s am Schotter???

Eine weitere Rückmeldung kann ich nicht abgeben, da man sich nur einmal pro Video beschweren kann! Und das noch nicht mal mit besonders ausführlichen Erklärungen – der Text in dem Beschwerdeformular darf nämlich nur 200 Zeichen lang sein!

Ich habe jetzt noch eine zweite Variante von dem Video erstellt, mit Vor- und Abspann und noch ein paar Sequenzen, die nicht in Zeitlupe sind – in der Hoffnung, dass das diesmal durchgeht. Aber auch dieser Film wurde sofort vom Uploadfilter mit der Altersbeschränkung versehen 🙁

Ich glaube ja noch nicht mal, dass da irgendein verklemmter Reviewer mit Podophobie dahinter steckt, sondern gehe fest davon aus, dass hier ein Upload-Filter-Algorithmus irgendwas in meinem Film erkannt haben will. Und auch die zweite Prüfung halte ich nur bedingt für echt. Ich gehe eher davon aus, dass auch dort eine Standardantwort mit Zeitverzögerung gesendet wurde, ohne dass jemals ein echter Mensch das Video geprüft hat. Anders kann ich mir das nicht erklären, zumal ich auf die Beschwerde für mein zweites Video eine „Decision“-Mail mit exakt demselben Wortlaut bekam wie beim ersten Mal.

Es ist unfassbar, welch hirnrissigen und teils wirklich jugendgefährdenden Unsinn man bei YouTube finden kann, der nicht blockiert wird. Aber nackte Füße sind ab 18… Arme Welt!

Ach ja, dies ist übrigens das Video, um das es geht (die zweite Version) – leider kann man es nur als eingeloggter, volljähriger YouTube Benutzer ansehen:


(Videos werden als externe Inhalte ohne Cookies vom YouTube-Server geladen)

Wie wird man eigentlich Barfußgeher?

Unter diesem Motto wurde jetzt ein Gastbeitrag von mir im befreundeten barfussblog.de veröffentlicht.

Ich hatte in den letzten Monaten einige angefangene Textfetzen zu einem Ganzen zusammengefügt und heraus kam eine Mischung aus meinem eigenen Werdegang und Rundumschlag zu allen Themen, mit denen sich beginnende (und fortgelaufene) Barfußläufer beschäftigen.

Für meinen eigenen Blog war er zu lang und enthält zu viel, was ich hier eh schon beschrieben habe. Aber im barfussblog passt er offenbar ganz gut in die Reihe der Biografien und Anfängertipps.

Hier ist der Artikel, viel Spaß beim Lesen!

Wie wird man eigentlich Barfußgeher?